Augustus Saint-Gaudens (1848-1907). Amerikanischer Bildhauer aus der Zeit des Gilded Age

(Letzte Änderung 09.06.2006)

Ligornetto, 09.06.2006 - Die wichtigste Schau der Ausstellungssaison 2006 im Museo Vela ist einer zentralen Figur der amerikanischen Bildhauerkunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewidmet: Augustus Saint-Gaudens (1848-1907). Dabei handelt es sich um den wohl bedeutendsten Bildhauer der historischen Epoche des Gilded Age, die auf den amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) folgte.

Seit seiner Gründung ist das Museo Vela bemüht, die Bedeutung der Kunst Vincenzo Velas sowie den Einfluss näher zu beleuchten, den dessen Werk auf internationaler Ebene ausübte. Aus diesem Grunde werden vom Museum immer wieder Ausstellungen organisiert, die den Monumentalwerken Velas das Oeuvre anderer Künstler gegenüber stellen, die das gleiche künstlerische Niveau und eine ebenso weit reichende kulturelle Signifikanz innehaben, jedoch aus einem anderen historischen und kulturellen Kontext stammen. Auch die Augustus Saint-Gaudens gewidmete Schau gehört zu dieser Reihe, denn tatsächlich ist der Einfluss, den Augustus Saint-Gaudens durch sein Werk und seine Lehre auf die amerikanische Bildhauerei ausübte, mit den Auswirkungen vergleichbar, welche die “Schule des Vela” im ausgehenden 19. Jahrhundert auf die italienische Kunst hatte. Die Ausstellung bietet somit dem Schweizerischen und internationalen Publikum die Gelegenheit, einen bislang eher unbekannten Künstler kennen und schätzen zu lernen – wie übrigens die gesamte amerikanische Kunst vor dem Zweiten Weltkrieg relativ unbeachtet blieb. Abgesehen von der bemerkenswerten Tatsache, dass Saint-Gaudens im Jahre 1911 bei der Weltausstellung in Rom mit 29 Werken vertreten war, hat bis zum heutigen Tage lediglich Frankreich – Geburtsland des Vaters des Künstlers – dem Bildhauer eine monografische Ausstellung (1999) gewidmet.
 
Saint-Gaudens wurde im Jahre 1848 als Sohn eines französischen Vaters und einer irischen Mutter geboren, die wenig später in die Vereinigten Staaten auswanderten. Er verbrachte mehrere Jahre seines Lebens in Europa, zuerst in Paris (1867-1870) und später in Italien (1870-75), wo er seine Ausbildung zum Bildhauer und Graveur vollendete und sogleich eine brillante Laufbahn begann. Unterstützt wurde er dabei von wohlhabenden, einflussreichen amerikanischen Auftraggebern, die in der Ewigen Stadt wohnhaft waren. Saint-Gaudens’ Bewunderung für die Kunst und Architektur der Renaissance, insbesondere für die Reliefs und Medaillen jener Zeit, hatte eine nachhaltige Wirkung auf die Wahl seines künstlerischen Stils, der von einer ganz persönlichen Interpretation des Realismus des 15. Jahrhunderts und des antiken Erbes gekennzeichnet war – eine Synthese, die wiederum die amerikanische Bildhauerkunst im ausgehenden 19. Jahrhundert beeinflussen sollte.
 
Unter den bekannteren Werken von Augustus Saint-Gaudens sind insbesondere die Ehrenmale der Helden des Amerikanischen Bürgerkrieges zu nennen, doch ebenso seine meisterhaften, in feiner Machart gestalteten Reliefporträts. Zu seinen öffentlichen Monumenten – die ihm, wie Vincenzo Vela, sehr am Herzen lagen – zählt das eindringliche Shaw-Denkmal (1897) zu Ehren des legendären 54. Regiments aus Massachusetts und seines Kommandanten Robert Gould Shaw. Diese episch anmutende Komposition stellt faktisch einen Meilenstein der Skulptur dar, denn zum ersten Mal wurden hier Porträts afroamerikanischer Soldaten bildhauerisch umgesetzt. Des weiteren schuf Saint-Gaudens ein Standbild Abraham Lincolns für die Stadt Chicago (l887), das den Präsidenten stehend porträtiert, außerdem das energische Denkmal zu Ehren des Admirals David Farragut (1881) für die Stadt New York sowie das Spätwerk Denkmal zu Ehren des Generals Sherman, das 1903 ebenfalls in New York enthüllt wurde. Bei letzterem handelt es sich um ein eindrucksvolles Standbild, das überdies Saint-Gaudens’ Begabung zu subtiler psychologischer Einsicht in den Charakter der Dargestellten bezeugt. All diese Monumentalwerke sind als Bozzetti, verkleinerte Nachbildungen oder Studien in der Ausstellung des Museo Vela vertreten. Neben den Werken heroisch-patriotischer Prägung sind für das zeitgemäße Publikum jedoch auch die anmutigen, oft großformatigen Porträtreliefs von Interesse, die Künstler und Intellektuelle, Freunde und Bekannte, Erwachsene und Kinder, doch auch Auftraggeber von internationalem Ansehen abbilden. Auch diese Porträtreliefs offenbaren, wie die Standbilder, eine hohe künstlerische Sensibilität bei der Gestaltung der Materialien – tatsächlich scheint es fast, als seien die Oberflächen mit Malereien aus Bronze überzogen – sowie die gleiche Empfindsamkeit in der bildhauerischen Umsetzung der Wesenszüge der Porträtierten.
 
Die vom Trust for Museum Exhibitions in Washington und vom Saint-Gaudens National Historic Site, Cornish, New Hampshire konzipierte Schau wird vom Museo Vela betreut und umfasst 60 Ausstellungsstücke aus Bronze, Gips sowie kostbaren Materialien (letztere verwendete der Künstler insbesondere in jungen Jahren für seine Skulpturen im Bereich der dekorativen Kunst).
Der Begleitkatalog zur Ausstellung ist die bislang einzige italienischsprachige Veröffentlichung zu Augustus Saint-Gaudens. Neben der detaillierten Darstellung des Künstlers werden darin auch die Besonderheiten der Bildhauerei sowie die kulturellen Zusammenhänge jener künstlerischen Epoche in Amerika näher erläutert.

11. Juni –1. Oktober 2006
Dienstag-Sonntag/10.00-18.00
Museo Vela
CH-6853-Ligornetto (Schweiz)
Tel 0041 91 640 70 40

Eintritt Museum, Ausstellung und Park: CHF 10.-/6.-
Ausstellungskatalog, 85 Seiten (I/E) : CHF 30.-



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Bundesamt für Kultur
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