Wie entsteht ein Lexikon? Eine Ausstellung in der Schweizerischen Nationalbibliothek

Bern, 04.11.2008 - "Am Anfang ist das Wort" – so heisst die neue Ausstellung der Schweizerischen Nationalbibliothek. Sie geht dem Entstehungsprozess von Lexika nach. Entstanden ist sie in Zusammenarbeit mit dem Historischen Lexikon der Schweiz (HLS). Ausgangspunkt ist der HLS-Artikel über Ruth Dreifuss. Die Ausstellung wird am 6. November 2008 in Anwesenheit der alt Bundesrätin eröffnet und dauert bis zum 29. März 2009.

Am Anfang ist das Wort. Dann folgt die grosse Arbeit, denn Lexika sind keine Offenbarungen. Sie sind von Menschenhand gemacht. Bevor ein Lexikon ins Buchregal gestellt werden kann, muss es konzipiert, diskutiert, geschrieben, redigiert, übersetzt, illustriert und gedruckt werden. Dieser Prozess der Entstehung wird in der Ausstellung "Am Anfang ist das Wort. Lexika in der Schweiz" sichtbar gemacht.

"Dreifuss, Ruth"

Die Ausstellung entstand in Koproduktion mit dem Historischen Lexikon der Schweiz (HLS). Um die Entstehung und die Funktionsweise dieser Werkstatt des Wissens darzustellen, geht die Ausstellung von einem konkreten Artikel aus, demjenigen über die ehemalige Bundesrätin Ruth Dreifuss. Die Wahl erfolgte nicht zufällig, da Ruth Dreifuss während ihrer Amtszeit 1993-2002 Vorgesetzte und "Schirmherrin" sowohl der NB wie auch der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz war. Der Eintrag über sie dient als Beispiel, um aufzuzeigen, wie Lexika erarbeitet und wie Informationen miteinander vernetzt werden. Er enthält Begriffe aus Dreifuss' verschiedenen Lebenswelten wie etwa "Judentum", "Frauenbewegung", "Genf" oder "AHV". Diese sind wiederum mit je einem eigenen Artikel im HLS vertreten, und in ihnen erwähnte Stichwörter verweisen auf zahlreiche weitere Einträge. Das Verlinken von Informationen ist seit jeher – schon lange vor dem Internet – das Prinzip der Lexika.

Das Lexikon von morgen

Das lexikalische Prinzip ist auch im digitalen Zeitalter nicht überholt. Die erfolgreiche Wikipedia hat dem klassischen, alphabetisch geordneten Konversationslexikon zu einer Wiedergeburt in elektronischer Form verholfen. Wie geht es nun weiter? Wer sammelt diese elektronischen Einträge und stellt sie auch den zukünftigen Forschenden zur Verfügung? Was passiert mit Lexika in der Zukunft? Diese Fragen werden in der Ausstellung auf spielerische Weise aufgegriffen. Die Mediengestalter Matthias Rohrbach und Michael Flückiger haben eine spektakuläre, interaktive Raumprojektion entwickelt, mit der in der Ausstellung durch das Verweissystem des HLS gesurft werden darf.

Die Menschen hinter den Lexika

Interviews eröffnen den Blick auf die Hintergründe des Lexikons. So äussert sich Ruth Dreifuss differenziert zu ihrem Artikel im HLS. Mitarbeitende des HLS erläutern ihre Arbeitsprinzipien. Wer entscheidet, was oder wer des Lexikons würdig ist oder nicht? Woher stammt das Wissen, das Eingang ins Lexikon findet? Wer entscheidet, was über ein Thema oder eine Person geschrieben wird? Die Ausstellung will den Besuchenden vermitteln, dass hinter den komplexen und abstrakten Abläufen beim Entstehen von Lexika konkrete Menschen stehen. Somit sind – bei allem Bestreben nach Objektivität und Fehlerfreiheit – subjektive Faktoren unvermeidbar.

Die historische Dimension verdankt die Ausstellung einem Kabinett mit ausgewählten Schweizer Enzyklopädien aus der Sammlung der NB. Dadurch wird die Tradition sichtbar gemacht, in welche das HLS eingebettet ist. Diese reicht von Johann Jakob Scheuchzers "Itinera per Helvetiae Alpinas Regiones" von 1723 bis zum "Schweizer Lexikon" in sechs Bänden von 1993.

Einen künstlerisch-poetischen Zugang zum Thema bildet die eigens für die Ausstellung realisierte Installation "Vedi alla voce Enciclopedia" des Tessiner Künstlerduos Matteo Terzaghi und Marco Zürcher. Die beiden Künstler haben bereits zuvor gemeinsam einige Arbeiten entwickelt, die einen starken Bezug zum Medium Buch aufweisen.

Die Ausstellungspublikation

Zur Ausstellung erscheint im Verlag hier + jetzt, Baden, die Publikation "Am Anfang ist das Wort. Lexika in der Schweiz". Sie enthält wissenschaftliche Beiträge zum Begriff des Wissens und zur enzyklopädischen Wissensspeicherung. Visionen einer zukünftigen elektronischen Version des HLS skizzieren die möglichen Entwicklungslinien der Lexikonographie in der Schweiz.

Rahmenveranstaltungen

Zwei Rahmenveranstaltungen zu den Lebenswelten von Ruth Dreifuss vertiefen die in der Ausstellung aufgenommenen Themen. Am 26. November 2008 hält René Bloch, Professor für Judaistik an der Universität Bern, einen Vortrag über das Judentum und die Schwierigkeiten, dieses in einem Lexikon darzustellen. Anfangs 2009 wird eine Veranstaltung zum Thema "Frauenbewegung" stattfinden. Weitere Informationen hierzu sind zu einem späteren Zeitpunkt auf der Website www.nb.admin.ch/ausstellungen zu entnehmen.

Wettbewerb: Wer schreibt den fantastischsten Lexikonartikel?

Das HLS schreibt im Rahmen der Ausstellung einen besonderen Wettbewerb aus. Wer schreibt den fantastischsten Lexikonartikel? Gesucht ist ein Nihilartikel, ein Eintrag zu einer Person also, die es im Lexikon, nicht aber in Wirklichkeit gibt. Die meisten Lexika beinhalten einen fiktiven Eintrag – das HLS schliesst sich nun dieser alten Tradition an und ist auf der Suche nach dem geistreichsten Vorschlag. Gefragt ist eine erfundene, wichtige Schweizerin oder ein wichtiger Schweizer. Der Siegerartikel wird im HLS abgedruckt. Die Prämierung der Texte findet anlässlich der Museumsnacht Bern in der Schweizerischen Nationalbibliothek statt.

Die Ausstellung "Am Anfang ist das Wort" wird am 6. November 2008 um 18 Uhr in der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern eröffnet. Sie ist vom 7. November 2008 an bis zum 29. März 2009 zu sehen.


Adresse für Rückfragen

Peter Erismann, Ausstellungskurator
Schweizerische Nationalbibliothek
Tel. 031 322 68 44
peter.erismann@nb.admin.ch

Andreas Schwab, Ausstellungskurator
Historisches Lexikon der Schweiz
Tel. 031 333 59 02
andreas.schwab@palma3.ch



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